Wie wir uns mit unseren Kindern auf eine spirituelle Reise begeben
Offenes Gespräch mit Aline Ilsen und Imke Marit Axmann / Resonanzeffekt
Bäm – ich bin schwanger. Gewissheit. Ob lange geplant oder „passiert“ – mit diesem Moment beginnt ein neuer Abschnitt der eigenen Lebensreise, eine Zeit von innerer Wandlung und Wachstum. Das Leben wurde über diesen Prozess von mir, Imke, plötzlich anders und immer wieder neu empfunden.
IMKE: Für mich war die Zeit der Schwangerschaft eine Zeit der Transformation. Ein großes Wort. Für mich heisst es: Ich wurde herausgefordert, mich neu zu erfinden. Ich bin an Grenzen gestoßen, bin auch selbst meinem inneren Kind begegnet. Ich wollte nicht mehr in der Form leben wie vorher. Ich spürte tief: Ich möchte und muss mich dehnen. (Nicht nur körperlich (lacht)). Ich habe mir sehr bewusst vor Augen geführt, was für mich wesentlich ist und was nicht. Ich habe eine tiefe Verpflichtung dem Leben gegenüber gefühlt, eher gefühlt als eine Art Dankbarkeit, in meine Kraft zu gehen und mich zu leben. Und da war ein riesiger Spielraum nach oben. War ich vor der Schwangerschaft in gewissen Belangen voller Zweifel oder Unsicherheit, habe Dinge hinausgezögert, ging ich sie in der Schwangerschaft und in der ersten Zeit mit Kind an, ich wusste, ich hatte es vorher versäumt, doch nun galt das Motto, „Jetzt oder nie“… Und dabei war es praktisch viel schwerer umzusetzen als vormals. Ich habe während der Ausbildungsblöcke bei meinem Lehrer Werner Plath in Schilden bei meinen Eltern gewohnt. Arthur und Papa sind immer mit gefahren und er hat ihn 2 Stunden durch den Wald getragen während ich unterrichtet wurde. Plötzlich erhielten die Dinge eine neue Ernsthaftigkeit. Ich begann, die Dinge zu tun, die ich immer spürte. Die Erdung durchs Kind tat mir gut. Und ich wollte so viel wie möglich vor dem Kind angehen bzw. leben um es in eine Welt zu begrüßen, die befreit und nicht gestaut war (oder ähnliches).
Die Dinge durchfühlte ich nun ernsthafter. So entwickelte ich mein eigenes Konzept des Schwanger Singens – ich erprobte es an meinem eigenen Körper und Kind in der Schwangerschaft. Das war höchst spannend. Und ich entwickelte dann mit Arthur mein erstes Mama-Baby-Singen. Meine tiefen eigenen Erfahrungen in diesem Bereich zwangen mich förmlich, etwas in die Welt zu bringen.
UND WIE GING ES DIR, ALINE, IN DER SCHWANGERSCHAFT? UM DIE GEBURT DRUM HERUM?
Da war die Vorahnung schwanger zu sein [von der ersten Sekunde an!] und dann der „klinische Befund“. Keine Zweifel also (lach). Ich war ganz schön schwanger. Und gab mich dem Hormonrausch hin. – Würden Schwangeren Flügel wachsen, ich hätte gleich mehrere gehabt (lach). – Noch nie zuvor habe ich mich so mit der Erde und dem Himmel verbunden gefühlt. Mir schwirrten tausende von Fragen durch den Kopf „Wie gut & wie bunt ändert sich das eigene Leben mit Baby? Bin ich dem gewachsen? Werde ich mein Dasein intensiv hinterfragen? Bis kurz zuvor bestand meine Verwirklichung aus einer 60 Stunden Arbeitswoche, ausgeklügelten Marketingstrategien, erfolgreichen Meetings und Workshops, und nicht zu vergessen aus dem jung-unabhängigen Lifestyle, den mein Mann und ich gerne nach Feierabend bzw. zu Urlaubszeiten genossen… Soweit so gut. Ich wusste von nun an würde sich die weitere Lebensplanung in Überraschung verwandeln!
Was ich nicht ahnte war, dass ein jüngst geborenes Kind mir mitten ins Herz schaut. Ich wusste nicht, dass es in mir Sinn und Wahrheit und Wirklichkeit vermutete. Ich hatte keine Ahnung, dass dieses Kind mich in jeder Bewegung so ernst nehmen würde, wie ich mich selbst bis dahin nicht ein einziges Mal.
IMKE: Ja, diese Ernsthaftigkeit kann ich bestätigen! ich spürte zutiefst, dass Arthur so vieles von mir übernehmen würde und auch alles Ungelöste von mir mittragen müsste. Ich war seine Realität, seine Wirklichkeit, seine Welt! Ich empfand es gar nicht als Bürde, eher als Riesenchance zur Realisation meines tiefen Vision – von nun an auch für und mit ihm! Ich muss zugeben, dass bei mir sogar die Reinheit und Unschuldigkeit, dieses nur in meinem Bauch (und aus Vorleben oder Genen) vorgeprägtem Wesen mich zu einer Entscheidung rief. Und zwar nochmal absolut JA zu sagen zu diesem Leben und meinen Aufgaben hier.
Die erste Zeit mit Baby empfand ich wahnsinnig innig, man gibt sich einem Wesen hin. Eine Challenge von Geduld, Hingabe, Demut. Eigenschaften die ich zuvor nicht besaß. Doch Arthur liebte mich dort hinein… Wenn du ja sagst zu den Herausforderungen, nicht ins Opfer gehst bzw. passiv wirst, ist das DIE Chance zu persönlicher Veränderung in deinem Leben, denke ich. Dann wirst du von deinem Kind geschliffen wie ein Diamant. Denn du bekommst es sogar in aller Konsequenz gespiegelt, ob du auf dem richtigen Weg bist. Denn dein Kind zeigt dir zu Beginn an (es verflüchtigt sich mit der Zeit), wie es um deine Eigenresonanz steht, ob du im Einklang mit dem „Lebendigen“ lebst. Davon bin ich überzeugt.
WIE IST ES JETZT?
IMKE: (Arthur ist 16 Monate) Es fehlt mir schwerer diese ja fast spirituelle Verbindung zum Lebendigen weiterhin so stark zu spüren. Der Alltag nimmt überhand, das Kind entwickelt seinen eigenen Kopf, fließt nicht mehr so intensiv mit mir. Außerdem kennen wir uns nun und er übernimmt meine Prägungen und meine Haltungen „Welt“ zu begegnen. Die Reinheit nimmt immer mehr ab – ein Prozess den man so weit wie möglich verhindern sollte, nach Kalil Gibran.
Neue Unsicherheiten kommen auf und Herausforderungen. Wie eröffne ich meinem Kind die Welt, wie spreche ich mit ihm oder spreche ich gar zu viel über Arthur in seinem Beisein? Ich habe mich zum Beispiel dabei ertappt, wie ich Dinge sage, wie „Super“ oder „Toll“ wenn er einfach nur eine große Schaufel trägt, also in eine übertriebene Begeisterung gehe, das was ich bei anderen Müttern immer belächelt, eher verachtet habe. (Lach) Man fällt so schnell in Automatismen im Alltag oder ich bewerte schneller. Die Reaktionen werden konditionierter, es entwickeln sich Gewohnheiten im Zusammensein. Somit ist eine große Herausforderung, immer wieder „frisch“ zu schauen: die spirituelle Anbindung zu fühlen und mich zu erinnern, was für ein Wunder ich begleiten darf.
Es wird eher zu aktiv gelebter Sinnlichkeit, zur neuen Begreifung von Welt, zum naiven Schauen. Ich merke wie wenig ich aktuell spielen kann, ich empfinde mich dann als Mangelwesen, ohne viel Kreativität. Als ob ich interesselos bin, echt schlimm. Da sehe ich wie viele Zeit ich meines Lebens angepasst war, ohne innerlich meinen Reichtum zu spüren und zu nähren, aus mir zu schöpfen. Wir alle haben unsere Geschichte und dürfen uns immer wieder erinnern, wo wir herkommen und welchen Weg wir uns errungen haben. Eine große Herausforderung, diesen Raum nun in neuer, größerer Dimension fürs eigene Kind zu schaffen und zu eröffnen und vielleicht/ fast unmöglich?!
Gleichzeitig ist es bei mir so, dass ich diese Phase als Ansporn sehen darf, noch wacher zu werden, das naive Schauen nicht zu verlieren. Das klingt ja fast anstrengend! (lach)
Nichts im Leben ist umsonst..
ALINE: Nach etlichen, zehrenden Nächten (ich stille noch) und einem magischen ersten Jahr, kann es gern magisch weiter gehen, aber die Nächte hätte ich gerne wieder etwas schlafintensiver (lach). Als Stillmami habe ich dieses schlechte Gewissen, sobald ich nur daran denke Abzustillen.
GEHT DIR DAS EIGENTLICH AUCH SO?
IMKE: Ich denke gar nicht so viel daran, es steht nicht zur Debatte. (Lach) Ja, um ehrlich zu sein, ich kann es mir nicht vorstellen, durch eine Kopfentscheidung abzustillen. Ich denke, es wird in meinem bzw. unserem Gefühl entstehen und dann passieren. Oder nie 🙂 Bis die Brust versiegt…
Tja, sollte ich da eine „Grenze“ setzen? Was lasse ich mit mir machen, was entscheide ich? Muss ich überhaupt erziehen?
ALINE: Seit Kurzem ist Nika in der Krippe. Sie kann neuerdings bewusst in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen; nörgelnde Windelwechslermaus, langsame Frühstücksschnecke, Papa-Sonnenschein, ungeduldige Bauklötzestaplerin, süßes Honigkuchenpferd usw. – wenn ich dann manchmal eine Ansage mache, fühle ich mich falsch.
Gut fühlt es sich an, wenn es gelingt, durch alle Rollen und Zuweisungen hindurchzulieben und den kleinen Menschen zu entdecken, der bedürftig ist. Bedürftig, von mir gesehen zu werden. Weil ich ja seine Aussicht auf Menschwerden bin, mit allem, was dazu gehört.
WORIN WÜRDEST DU DENN DIE AKTUELLE HERAUSFORDERUNG BEGREIFEN, WENN DIE KINDER ZWISCHEN 14 UND 17 MONATEN ALT SIND:
ALINE: Den Situationen, die da kommen mit Humor begegnen 😉
IMKE: Offen sein, Nichtwissen, Erwartungsfrei in Situationen gehen und gleichwohl im Kontakt, in der Liebe…
INWIEFERN BIST DU DIR ALS FRAU UND MUTTER DURCH DIE GEBURT DEINES BABYS NÄHER GEKOMMEN?
IMKE: Ich habe den Eindruck, ich nehme meinen Platz als Frau nun aktiv ein und das heisst ich übernehme mehr Verantwortung – auch mir selbst gegenüber, deshalb hat sich die Beziehung zu mir liebevoll gewandelt. Ich bin nicht mehr so hart im Gericht mit mir, nehme meine Fehler und Schwächen an, ja schmunzel sogar oft darüber. Ich akzeptiere mich. Und ich warte nicht mehr darauf, dass sich die Welt verändert. Ich tue einfach.
Durch die viele Zeit die man liegend und stillend im „Leerlauf“ verbringt, hat man viel Zeit, „Seinsqualitäten“ zu gewinnen. Mir tat das gut und motivierte mich, zu den anderen Zeiten umso mehr präsent in meinem Tun zu sein.
WIE HAT DEIN SOHN DEINE BEZIEHUNG ZU DEINEM MANN VERÄNDERT UND INSPIRIERT?
IMKE: Die Liebe vertieft sich, indem ich sehe, wie wunderbar er mit Arthur umgeht. So wie ich es niemals könnte! Er eröffnet ihm innere Welten, er spielt so unendlich kreativ und voller Liebe. Das lässt mich sehr zärtlich auf ihn schauen. Bestimmte Themen und Konflikte zwischen uns kamen erst auf mit dem Kind, da man ja auch regelmäßig Extremsituationen wie zu wenig Schlaf, Ratlosigkeit, Zweifel, Stürze etc.. erlebt. Da durchzugehen war bei uns aber auch Chance, unsere Beziehung zu intensivieren. Das ist gelungen. Inspirieren nur insofern, als dass wir stärker TEAM geworden sind. Und vor allem bedachter und intensiver überlegen, wie wir gemeinsam leben und gehen wollen – und auch was jeder einzelne in der Beziehung und in seinem Leben wirklich braucht.
HAST DU NUN EINEN ANDEREN BLICK AUF LEBEN, ALINE?
Aline: Und ob! Meine Tochter kam auf den Punkt genau in mein Leben, an dem ich bereit war für diese große, mutige Aufgabe mit einem Kind zu wachsen. Es ist nicht so, dass mir vorher nicht bewusst war, wofür ich stehe, aber ich habe mich sehr an meinen familiären Prägungen orientiert, die dann mit meiner Tochter komplett auf den Kopf gestellt wurden. Ich fühle mich um wesentliche Erfahrungen auf der Beziehungsebene bereichert, die für mich ohne Kind niemals in der Form denkbar gewesen wären.